Ralf Witthaus
Den Gestrauchelten
Den Gestrauchelten versteht sich als „Denkmal“ für Obdachlose. Es ist eine performative Intervention in den Grünflächen des Hansaplatzes und zeigt Fragmente der Namen von Wohnungslosen im Hansaviertel als Rasenmäher-Zeichnungen im öffentlichen Raum: Buchstabenzwischenräume werden stark vergrößert und als grafische Formen in möglichst viele Grünflächen rund um den Hansaplatz geschnitten.
Das Hansaviertel ist eine gesellschaftliche Vision der Stadt von morgen. Als die ersten Wohnungen 1957 bezogen wurden, waren sie als Prestigeobjekte deutlich teurer als an anderen Orten. Niedrigverdienende findet man unter den Mieter*innen im Hansaviertel auch heute kaum. Gleichzeitig ist die Anwesenheit von wohnungslosen, alkohol- und drogenabhängigen Menschen in diesem Viertel unübersehbar. Sie leben in den Grünanlagen und überall dort, wo sie trocken übernachten können. Es ist unschwer zu erkennen, dass die städteplanerische Vision des Hansaviertels und die wachsende Obdachlosigkeit in der Gegenwart weit auseinanderklaffen. Das Denkmal für „die Gestrauchelten“ soll das Bewusstsein wecken, dass es eine Struktur braucht, die die Gestrauchelten auffängt und ihnen bessere Chancen auf ein würdevolleres Leben gibt.
Wenn viele Grundbesitzer und ehrenamtliche Helfer mitmachen, sollte das Kunstwerk vom Hansaplatz aus in weitere Grünflächenbereiche des Hansaviertels vorstoßen. Mit dem Kunstwerk wird Platz für etwas geschaffen, das keinen Platz in der Gesellschaft findet: Menschen, die genauso Nachbarn sind, wie die Menschen, die nebenan Klingelschilder besitzen.
Das „Denkmal“ ist dabei nur für einen Moment sichtbar. Die Zeichnungen im Rasen wachsen innerhalb von wenigen Wochen komplett wieder zu. Das Kunstprojekt ist im Kern eine soziale Intervention. Das Gespräch mit Anwohner*innen, Passant*innen und Gestrandeten ist integraler Bestandteil der Arbeit. Die Arbeit selber wird im schwarzen Anzug mit Rasenmähern und Motorsensen durchgeführt. In der Vergangenheit sind oft Menschen dazugestoßen, um mitzumachen, manchmal Anwohner*innen, meistens aber begeisterte ehrenamtliche Helfer*innen aus der Ferne. Sie unterstützen diese Projekte seit Jahren und sind Teil des performativen Prozesses. Dieser wird begleitend durch einen Fotografen dokumentiert, da alles, was auf dem Weg passiert, Teil des Kunstprojekts ist.