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Zurückgebeugte Räume

Der Entwurf Zurückgebeugte Räume setzt inhaltlich bei der Bewerbung des Berliner Senats um Aufnahme in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes an: „Zwei deutsche Architekturen: Karl-Marx-Allee und Interbau 1957. Konfrontation, Konkurrenz und Koevolution im geteilten Berlin“. Die beiden städtebaulichen Konzepte bilden heute – fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung – eine Rahmung „geteilter Vergangenheit“. Doch das Verhältnis zwischen Ost und West ist immer noch asymmetrisch. Die Niederlage des Staats wurde im Osten in individuelle Niederlagen umgewandelt. Kränkungen vergisst man nicht, sie prägen weiter und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Eine Versöhnung und eine gemeinsame Zukunft wird erst möglich, wenn beide Seiten ihre entgegengesetzten Perspektiven auf die Vergangenheit in einem gemeinsamen übergeordneten Rahmen aufheben können.

Die Konstellation Hansaviertel/Karl-Marx-Allee bietet für unterschiedliche Generationen die Chance, einen Raum für spürbare Reibungen im sozialen Gedächtnis zu öffnen und erhebliche Auswirkungen auf die Gegenwart und Zukunft zu entfalten. Bis heute fehlt Berlin ein Raum, der eine dynamische Austragung und lebendige Interaktion zur Aufarbeitung der Wendezeit ermöglicht und diese institutionell sichert.

Diesen Raum öffnet die Installation und Performance Zurückgebeugte Räume in einem Setting aus zwei sich gegenüberstehenden hohen Spiegelwänden für drei bis vier Wochen – vorzugsweise im September 2019 – im Ladenzentrum am U-Bahnhof Hansaplatz. Dazu werden freistehende 2,60 m hohe Spiegelwände errichtet; entlang den zwei gefliesten Wänden zwischen Grips-Theater und der Bäckerei Thürmann. Die Spiegelwände sind konvex und konkav gekrümmt, sodass sie die gewohnte Raumwahrnehmung verschieben und die Perspektive verändern. Sie haben mehrere Öffnungen, die von Schauspieler*innen oder vom Publikum bespielt werden können. Durch diese treten unsichtbar-anwesende Körper mit einem anwesenden Gegenüber in Interaktion.

Für die Performances wird ein Textkörper aus aktuellen Diskursen unter anderem zur Erinnerungskultur sowie aus Interviews und Gedichten erarbeitet, der von den Schauspieler*innen (Grips-Theater) und Laien situativ verwendet werden kann. Die Spiegelflächen erzeugen zusammen mit den Körpern der Performer*innen eine Vielzahl szenischer Begegnungen mit den Passant*innen. Es sollen Aufführungen an ca. 15 Terminen stattfinden.

Die installative Performance kann nur einen lokalen und temporären Diskurs herstellen und eine begrenzte Wirksamkeit entwickeln. Sie ist als Impulsgeber für einen Prozess zu verstehen, der zeitgleich in den Osten der Stadt gespiegelt werden soll. Zur Berliner Aufarbeitung gehört auch, nach aktuellen Entwicklungen und Differenzen zwischen Hansa Viertel und Karl-Marx-Allee zu fragen, worin sich der öffentlicher Raum unterscheidet oder wie die Eigentumsverhältnisse verteilt sind. Dazu wird eine Zusammenarbeit mit dem Grips-Theater und der Galerie im Turm am Frankfurter Tor angestrebt.

Die Arbeit soll einen Raum öffnen, der eine Auseinandersetzung mit den individuellen Verletzungen der Nachwendezeit ermöglicht und im Idealfall einen Ausblick auf eine gemeinsame Zukunft von Ost und West gewährt.